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Kaum gestartet und schon wieder einen neuen Defekt an meinem Bock!

Beim Tanken in Dharamsala war nicht nur ich der Meinung, dass mein Motorrad ziemlich laute Geräusche von sich gibt.
Rob legte sich gleich unter das Bike und entdeckte den Defekt. Die Krümmerschrauben hatten sich gelöst und ließen meine alte Dame dadurch recht laut werden.
Wir entschlossen uns trotzdem bis nach Amritsar weiterzufahren, in der Hoffnung den Krümmer nicht komplett zu verlieren.

Die Fahrt war landschaftlich recht unspektakulär und wir erreichten gegen
Spätnachmittag das Mrs. Bhandaris Guest House, eine richtige kleine Oase am
Stadtrand von Amritsar. Das Guest House war auf einem riesigen Grundstück,
mit vielen Blumen- und Rasenflächen, auf denen man auch campen konnte – natürlich auf dem Rasen und nicht auf den Blumen.

Abgerundet wurde das Ganze dann auch noch von einem uns zur Verfügung
stehenden Pool. Und obwohl das komplette Gelände mit einer sehr hohen Mauer
umgeben war, fühlte ich mich frei und gut aufgehoben.
Da die Zimmer nicht gerade ein Schnäppchen waren, bauten wir unsere Zelte auf und freuten uns aufs Duschen und Essen.

Ein französisches Pärchen, welches mit ihrem vierjährigen Sohn in einem Camper unterwegs waren, hatten auch hier Unterschlupf gefunden. Sie hatten Pakistan bereits hinter sich und gaben uns bereitwillig Auskunft.

Als meine Glupschäuglein sehr schwer wurden tippelte ich, gefolgt von
Kämmi, müde zum Zelt. Kurz vor dem Tiefschlaf machte ich warum auch immer, meine Augen nochmal auf. Ich wunderte mich darüber dass die Bäume so schräg waren und brauchte einige Zeit, um den aufkommenden Sturm zu registrieren.

Nur mit der Unterhose am bekleidet, hüpfte ich aus dem Schlafsack, um
meine Klamotten vor dem Regen und dem Wind in Sicherheit zu bringen.
Dabei bemerkte ich, dass die anderen drei Super-Pfadfinder Rob, Claus und Thomas ihre Zelte gar nicht gesichert hatten und der Wind alles fröhlich über das Gelände vor sich her schubste.

Da ich alleine dem Ganzen nicht Herr wurde, riss ich Kaemmi aus dem Schlaf, damit er mir helfen konnte. Zu zweit machten wir Robs Zelt erstmal wasserdicht und befestigten das Überzelt.
Die Heringe konnten wir nur mit Hilfe eines rumliegenden Ziegelsteines krumm in den knochenharten Boden klopfen. Als wir alles einigermaßen fest und vor dem Regen gerettet hatten, krochen wir wieder in die Schlafsäcke, wobei die anderen drei sich bei einem Bier schon darüber lustig machten, wo sie denn nun all ihre Sachen zusammensuchen konnten.
Es regnete die ganze Nacht, doch mich beruhigt dieses Prasseln auf dem Zelt und ich schlief wie ein Baby.

Früher als der Rest standen Kämmi und ich auf, um ein paar Runden im Pool zu ziehen und danach meine komplett zerlegte Twin wieder zusammenzusetzen.
Der Krümmer saß wieder fest und alle raus vibrierten Schrauben waren
ersetzt. Jetzt schnurrte meine Lady wieder wie ein zahmer Stubentiger.

Da ich keinerlei Interesse an einer Busfabrik hatte, fuhren die Jungs
alleine dort hin. Klar – Männer und Autos!
Ich wollte dieses Ambiente hier in Ruhe genießen, denn die nächsten Wochen würde es wohl kaum eine solche Oase für mich geben, in der ich mich als Frau frei bewegen konnte.

Nach dem Frühstück legte ich mich mit meiner Isomatte in den Schatten und beobachtete die bunten Vögel in den Bäumen, die Haus- und Hofhunde bei ihrem Rundgang und die Erdmännchen beim Fangen spielen, bis ich letztendlich eindöste.

Gegen 14 Uhr wachte ich auf – nein, nicht einfach so, denn das wäre ja langweilig. Meine Bauchkrämpfe kündigten sich wieder an.

Just genau von diesem Augenblick hinterließ ich eine neue Rennstrecke
auf dem Rasen in Richtung Toilette. Nicht nur der Indienexpress Nummer zwei sondern auch die Spuckerei hoch vier war da. Ich wusste nicht womit ich zuerst beginnen bzw. aufhören sollte…

Gegen 16 Uhr bekam ich Schüttelfrost und heftigste Schweißausbrüche. Mein Kreislauf war komplett hinüber. Eine Hotelangestellte konnte sich dieses Schauspiel wohl nicht mehr länger mit ansehen und verfolgte mich auf Schritt und Tritt. Sie hielt mir beim Spucken den Kopf und sagte irgendwelche beruhigende Worte auf Hindi, brachte mir Tee und Wasser und sah ganz besorgt aus.

Ich war dieser Frau so dankbar, dass man es mit Worten nicht beschreiben kann!

Das Spielchen ging die ganze Nacht und so wurde Kämmi das Opfer ausgehungerter Moskitos. Ich musste jedesmal das Zelt so schnell verlassen, dass es mir unmöglich war das Moskitonetz zu schließen. Ich war am nächsten morgen fix und fertig! Liegen und sitzen ging gerade noch, aber wehe wenn ich aufstand.

Nach längerem Überlegen trafen wir die Entscheidung mit einem “Töff Töff” in die Stadt hinein zu fahren. Zu sechst incl. Fahrer quetschten wir uns in das Gefährt.
Mit einem “Hurra wir Leben noch” auf den Lippen verließen wir unser Taxi am Goldenen Tempel.

Nachdem wir artig wie wir sind unsere Schuhe abgegeben und unsere Häupter mit einem Tuch bedeckt hatten, watschelten wir barfuß mit 1000 anderen Menschen im Uhrzeigersinn auf blank poliertem Marmor um den Tempel, der inmitten eines künstlich angelegten Sees steht.

Ich musste mich alle 100 Meter in den Schatten setzten, um meinem Kreislauf in Schach zu halten. Direkt an der Türschwelle des Tempels warfen sich die Menschen auf die Knie und berührten die Schwelle mit ihrer Stirn. Da ich schon froh darüber war einigermaßen stehen zu können, verzichtete ich auf dieses Ritual.

Wir begaben uns auf den Rückweg zu unserem “Töff Töff” und feuerten durch den Verkehr. Wir schüttelten immer wieder den Kopf, denn es war
unbegreiflich wie dieser Verkehr einigermaßen unfallfrei funktionierte.
Kaum hatten wir dieses Thema angeschnitten, hinterließ unser Taxi eine
Bremsspur auf dem Asphalt und fuhr auf ein Motorrad auf.
Nach einigem Hin und Her wurde das beschädigte Rücklicht ersetzt und wir konnten zurück zu unserem Hotel fahren, wo meine gute Freundin, die Toilette schon wieder auf mich wartete.

Das Packritual hatte begonnen, denn wir hatten noch vor an diesem Tag Indien zu verlassen. Etwas traurig blickte ich nochmal in meine letzte Oase, die ich so wenig genießen konnte.

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