Peru 2008 Peru 2008

Handgemachte Inseln und strickende Männer Handgemachte Inseln und strickende Männer

Freunde unserer Gastfamilie brachten uns nach Puno. Nach diesen tollen Tagen in einer Familie wurden wir fast von der Hässlichkeit dieser kleinen überschaubaren Hafenstadt erschlagen. Das einzig schöne an diesem Ort ist die Fassade der barocke Kathedrale an der Westseite der Plaza de Armas. In der restlichen Innenstadt buhlen Internetcafes, Restaurants und Klamottenläden um die zahlreichen Touristen.
In unserem Hotel lernten wir Bernhard und Patrick kennen, mit denen wir gemeinsam den Titicacasee erkunden wollten. Mit Fahrradrikschas lieferten wir uns ein Wettrennen an den Hafen, um auf Perus berühmte Inseln den Islas Flotanes zu kommen.
Die schwimmenden Inseln der Uros befinden sich 5km östlich von Punos Hafen und sind die wichtigste Touristenattraktion des Titicacasees. Diese Inseln werden aus Schilfrohren totora gebaut, die reichlich in den seichten Gewässern des Sees wachsen. Die Uros verwenden die Gräser, die teilweise auch essbar sind und ähnlich wie Spargel schmecken, zum Bau ihrer Häuser und Boote sowie zur Herstellung von Kunsthandwerk, welches sie an die Touristen verkaufen. Die Inseln bestehen aus vielen Schichten von totora. Sie werden ständig von oben wieder aufgefüllt, da sie im unteren Bereich vermodern. Der Untergrund ist daher immer weich und federnd. Der schwimmende Untergrund hält gute 40 Jahre, bevor die Insel komplett erneuert werden muss.
Die Körperfülle der Inselbewohner war für uns schon sehr abstrus, doch die Uros leben durch den Tourismus im wahrsten Sinne des Wortes wie die Maden im Speck und durch die begrenzten Möglichkeiten an Bewegung werden diese Menschen unheimlich dick.
Solarzellen auf einem Häuserdach haben mich dann schon neugierig gemacht und als ich das Innere betrat musste ich laut auflachen. Sport und körperliche Bewegung findet auf den Inseln nur im Fernsehen statt.
Ein funktionierendes Abwassersystem gibt es hier auch nicht, denn der See bietet sich hervorragend an, um Fäkalien zu entsorgen.
Wir setzten unseren Seeweg in Richtung Isla Taquile fort. Diese kleine Insel liegt 35km östlich von Puno und ist nur 7km2 groß. Die Bewohner sprechen dort Quechua und haben ein sehr starkes Bewusstsein für Gruppenidentität; sie heiraten fast nur untereinander und ihr Lebensstil blieb bisher von der Modernisierung des Festlandes unberührt.
Von der Anlegestelle aus führt eine steile Treppe nach oben auf eine Höhe von 4080m. Die Landschaft ist wunderschön. Die Insel bildet mit ihrer roten Erde einen tollen Kontrast zu dem intensiven Blau des Sees vor dem glänzendem Hintergrund von Boliviens schneebedeckter Cordillera Real auf der gegenüberliegenden Seeseite. Die Insel überzeugt durch eine friedliche Atmosphäre und für uns Europäer witzige Traditionen.
Hier herrschen drei strenge Gebote: Du darfst nicht stehlen, nicht lügen und nicht faul sein. Ist ja klar, denn durch die internen Hochzeiten würde man seinen eigene Familie bestehlen und anlügen.
Die Kleiderordnung ist sehr einfach und auch für uns schnell durchschaubar. Unverheiratete Frauen tragen schichtweise übereinanderliegende Röcke mit einem helleren Umhang um die Schulter, der mit bunten Bommeln verziert ist. Wenn eine Frau heiratet, wird der Umhang durch einen dunklen mit einfarbigen Bommeln eingetauscht.
Männer tragen festgewebte Wollhüte, die wie Nachtmützen aussehen und die sie mit Stolz selbst stricken. Oft sieht man die Männer mit Stricknadeln über die Insel schlendern. Die Hüte symbolisieren den sozialen Status. Singlemänner tragen rot-weiße Hüte und verheiratete einen roten. Bunte Hüte werden nur vom Bürgermeister und Stadtrat getragen. Im den strengen traditionellen Formen gibt es allerdings auch sehr “moderne” Ansichten. Wenn Männlein und Weiblein sich sympathisch finden ziehen sie für 2-10 Monate zusammen, um festzustellen ob sie miteinander leben können. In dieser Zeit webt die Frau eine dicke bunte Bauchbinde mit 12 verschiedenen Motiven darauf und der Mann einen roten Hut. Wenn es tatsächlich zur Hochzeit kommt, übergibt die Frau den Hosenbund an ihren Mann und der Mann tauscht die weiß-rote Mütze gegen die roten. Falls sich merken, dass sie doch nicht füreinander bestimmt sind, gehen sie getrennte Wege und müssen den bereits angefangenen Hut und Bauchbinde wieder auftrennen. Ich kann mich immer noch darüber köstlich amüsieren!
Auf der Rückfahrt tuckerten wir mit unserem Boot in den wunderschönen Sonnenuntergang.

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